Der Fabulant

Anastasia-Bewegung:
Blut und Boden im Kleingarten

Selbstversorgung trifft selbsternannte „Menschengötter“...

... willkommen in der Anastasia-Bewegung. Die Sekte geht auf eine Romanreihe des russischen Autors Wladimir Megre zurück und vereint Gartenarbeit mit rechtsesoterischen und rückwärtsgewandten Ideologien. Passt besser auf, wenn sich in eurem Dorf zukünftig „völkische Siedler“ niederlassen!

Hier klingen Zedern und Ohren

Megres Erzählungen mit dem Titel „Die klingenden Zedern Russlands“ eröffnen eine Welt, die von einem Zedernbaum mit magischen Eigenschaften und einer mysteriösen Frau handeln. Auf einer fiktiven Reise des Autors durch die russische Taiga trifft dieser auf Anastasia, Protagonistin der Reihe und „Prototyp“ einer Frau, die mit Tieren sprechen, Menschen heilen und telepathische Kräfte nutzen kann. In den Büchern fungiert Anastasia als eine Art spirituelle Führerin, die dem Autor Anleitungen für ein vermeintlich besseres Leben gibt. Bis hierhin fast nichts einzuwenden gegen eine Fantasy-Geschichte mit einer erstmal starken weiblichen Hauptfigur. Doch dabei bleibt es nicht: Unter dem Zeichen der Reinheit und Natürlichkeit steht Anastasia für ein durch Garten- und Landarbeit geprägtes Leben.

So langsam wird es problematisch. Denn neben dem Propagieren von rückwärtsgewandten und misogynen Rollenbildern darf natürlich, wie so oft im Rabbit Hole, der Antisemitismus nicht fehlen. Dieser entfaltet sich erst in den späteren Bänden der Reihe, kommt dafür aber recht unverhohlen daher. Megre unterscheidet zwischen zwei „Völkern“: erstens dem alten Volk, dem auch Anastasia angehört, das als rein, arisch und gottgleich beschrieben wird, und zweitens einer okkulten Gruppe von Oberpriestern, die im Geheimen seit Jahrtausenden die Welt leiten und von denen alle Jüdinnen und Juden abstammen sollen. Mittels Anastasias Lebensweise sollen sich die Nachfahren des „alten Volkes“ jedoch von deren düsteren Machenschaften befreien können. Also mal wieder die alte Leier! Gähn.

Die völkische Landnahme

Und wie jede gute oder auch gar nicht mal so gute Fantasy-Reihe haben auch die Anastasia-Bücher ihr eigenes Fandom inklusive Cosplay und Fan-Artikeln. Nur werden innerhalb der Fan-Gemeinde Megres Schriften viel zu ernst genommen. Zum einen glauben einige Anhängerinnen und Anhänger an die Wahrhaftigkeit seiner Schriften und sind teilweise angeblich selbst schon Anastasia begegnet. Zum anderen werden die Weisungen der fragwürdigen Protagonistin als Grundlage für ökologisch-völkische Bewegungen in Osteuropa und dem deutschsprachigen Raum genommen. Sie bilden damit einen attraktiven Anknüpfungspunkt für die Blut- und Boden-Ideologie einiger anderer rechtsextremer Gruppen.

Die Anastasia-Bewegung wird also zum Teil der sogenannten „völkischen Landnahme“, die das Konzept der gezielten Ansiedlung völkischer Bewegungen in von Landflucht betroffenen Gegenden mit dem Ziel der politischen und pädagogischen Einflussnahme beschreibt.  So werden dort „Familienlandsitze“ nach der Romanvorlage errichtet, die als autarke Gemeinschaften von Familien mit Höfen konzipiert sind. Traditionelle Rollenbilder und eine bisweilen altertümlich daherkommende Kleidung werden adaptiert. Die verharmlosende Selbstbezeichnung einiger Siedler: „Kleingärtner“. Tomatenzucht und Heckenhöhe stehen hier aber weit unten auf der Prioritätenliste.

Die idyllische Fassade täuscht, wenn überhaupt, nämlich nur oberflächlich: Die rechtsnationalistische Ideologie der Siedler ist kein Geheimnis. Schaut man sich die Angebote der jährlich stattfindenden Anastasia-Festspiele und anderer Veranstaltungen an, so wird das politische Umfeld der Siedlungen schnell klar: Auftritte von Anhängerinnen und Anhängern der Identitären Bewegung, geschichtsrevisionistisch umgedichtete Nationalhymnen, rechtsesoterische Kurse, antisemitische Vorträge und Jugendfreizeiten, die das gefährliche Gedankengut bereits an Kinder vermitteln. Abgerundet wird das Ganze durch die übliche Geldmacherei in Form von Esoterik-Shops und pseudomedizinischen Produkten und Publikationen, die beispielsweise der Germanischen Heilkunde entstammen.

Mein Fazit: Manchmal führt uns das Labyrinth des Rabbit Hole in einen Kleingarten. Wachsen dort Zedern anstatt Karotten, war das der falsche Ausgang!

Quellen

Arbeitskreis Anastasia: ANASTASIA-BEWEGUNG, DIE Ideologie der Anastasia-Buchreihe. AUTORITÄRER SOG, 40

Rosga, Anna (2018): Anastasia Bewegung – ein (un-)politisches Siedlungskonzept?, Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz, Berlin

Röpke, Andrea/Speit, Andreas (2019): Völkische Landnahme. Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos, Berlin.

InfoSekta Fachstelle für Sektenfragen: Einordnung der Anastasia-Bewegung im rechtsesoterischen Spektrum

Schuldt, Stefanie im Katapult Magazin: Grüße von der Sturmvolgeoma

Bildquelle: Foto von John Bussell auf Unsplash

Laborberichte

Trends

auf einem Blick

Darum geht’s

Auf Grundlage einer Romanvorlage errichten völkische Siedler rückwärtsgewandte Gemeinden in ländlichen Gegenden.

Pro

Gartenarbeit ist erstmal ein schönes Hobby – solange keine menschenfeindlichen Weltbilder herangezüchtet werden.

Kontra

  • Inzwischen sind Siedlungen der Völkischen Landnahme in Deutschland weit verbreitet. Siedlungen der Anastasia-Bewegung konzentrieren sich auf den ostdeutschen Raum.

  • Die Blut- und Boden-Ideologie hat ihren Ursprung in der NS-Zeit. Sie geht von einem rassistischen Verständnis eines „Volkskörpers“ (=Blut) nach der sogenannten „Rassentheorie“ aus, den sie bestimmte Siedlungsgebiete (=Boden) zuweist.

  • Die Anastasia-Bewegung ist stellenweise eng mit der problematischen „Lehre“ der germanischen Heilkunde verknüpft.

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