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Im Rabbit Hole ist Antisemitismus, also der Hass auf Jüdinnen und Juden, allgegenwärtig. Egal wohin ich mich bewege, welche Tür ich öffne, er ist Bestandteil der allermeisten Verschwörungsmythen. Allerdings ist es seit dem Nationalsozialismus doch eher eine Randerscheinung, eindeutige antisemitische Weltbilder als Aushängeschild offensichtlich vor sich her zu tragen – vor allem in Deutschland, wo manche antisemitischen Aussagen strafbar sind.
Wer Hass auf Jüdinnen und Juden säen will, bedient sich darum mittlerweile ganz eigener Strategien. So werden vor allem in der Öffentlichkeit, in den sozialen Netzwerken und auf Demonstrationen häufig Codes und Metaphern genutzt. So können unverblümt antisemitische Aussagen, Weltbilder und Einstellungen in die Gesellschaft getragen werden, ohne sich angreifbar zu machen. Manche dieser Codes existieren schon seit Jahrhunderten und sind erschreckenderweise längst Allgemeingut. Sie wurden über Generationen hinweg unreflektiert weitergetragen.
Ihr denkt, wenn eh kaum einer diese ganzen Bilder kennt, dann ist es doch egal? Falsch gedacht… Denn sie werden gezielt verbreitet, um den Boden für antisemitische Weltbilder zu ebnen und die Vorstellung einer „jüdischen Weltverschwörung“ in der Gesellschaft zu etablieren. Damit euch das nicht passiert, will ich euch ein paar dieser Codes entschlüsseln, indem ich euch die Hintergründe hinter den Begriffen aufzeige und ein wenig auf die Geschichte des Antisemitismus eingehen.
Heutiger Antisemitismus ist zum Teil aus dem mittelalterlichen Antijudaismus erwachsen. Doch wie unterscheiden sich beide Begriffe? Während der Antisemitismus für verschiedene Aspekte von Feindschaft gegenüber Jüdinnen und Juden steht und insbesondere seit der rassistisch begründeten Diskriminierung von jüdischen Menschen seit dem 19. Jahrhundert gebraucht wird, bezeichnet der Antijudaismus die im Mittelalter religiös begründete Judenfeindschaft. Die Spannungen zwischen Christentum und Judentum sind so alt wie die Religionen selbst. Nachdem sich das Christentum im 4. und 5. Jahrhundert als Staatsreligion im Römischen Reich etablieren konnte, begann die langjährige, systematische und zunächst lediglich religiös begründete Diskriminierung von Jüdinnen und Juden durch Gesetze, Stereotypisierung, Dämonisierung und Pogrome.
In dem Bestreben, Jüdinnen und Juden als „andere“ zu markieren, haben sich in der Darstellung bestimmte Zuschreibungen, wie man Jüdinnen und Juden vermeintlich am Aussehen das „Anderssein“ ansehen können würde, herausgebildet. Sehr prägnante Zuschreibung sind zum Beispiel die „große Nase“, die Peies (Schläfenlocken) oder ein Vollbart, mit denen Menschen als jüdisch markiert wurden und werden. Die Idee, dass Jüdinnen und Juden anders aussehen würden, ist selbstverständlich Blödsinn. Dennoch hat sich diese Darstellung in das kollektive Gedächtnis eingebrannt und bis heute wird auf diese Bildsprache beispielsweise in Memes zurückgegriffen.
Überlieferungen von einem angeblichen „Weltjudentum“, das im Geheimen eine weltumspannende Verschwörung anzettelt, Politik, Geschäfte und sogar Menschen lenkt, sind so alt wie auch andere antisemitische Narrative. Doch auffallend oft werden immer wieder „Die Juden“ als die Schuldigen, Strippenzieher oder Marionettenspieler auch hinter den neuesten Verschwörungserzählungen benannt. Manchmal fallen auch konkrete Namen, wie George Soros. Auch dieses antisemitische Narrativ von der undefinierten geheimen jüdischen Macht geht weit in der Geschichte zurück. Bereits im Mittelalter wurden derartige Erzählungen verbreitet. Populäre neuere Schuldzuschreibungen sind die „Protokolle der Weisen von Zion“ (1903), die nachweislich gefälscht sind und zur Propaganda im Nationalsozialismus dienten, und das Buch „Le Grand Replacement“ (2011), das besonders in der Neuen und extremen Rechten Anklang findet. Damit stehen die Erzählungen von der Neuen Weltordnung bzw. New World Order oder One World und vom Großen Austausch bzw. dem Great Reset im Zusammenhang. Letzterer nahm während der Corona-Pandemie erst so richtig Fahrt auf.
„Geldjuden“: Finanzelite, Hochfinanz, Wall Street und Ostküste
Das antisemitische Bild, wonach Jüdinnen und Juden mit Geld und der Finanzwelt in Verbindung gebracht werden, reichen bis ins Mittelalter zurück, in dem der Antijudaismus (siehe oben) aufkam. Damals dominierte das Christentum im Römischen Reich als Staatsreligion, während das Judentum nur von einer Minderheit gelebt wurde und als erlaubte, aber wenig angesehene Religion galt. Um dies auf weltlicher Ebene zu untermauern, wurden die Rechte von Jüdinnen und Juden als Minderheit immer weiter eingeschränkt. So wurden sie unter anderem gesellschaftlich und von „angesehenen“ Berufen, aber auch von der Landwirtschaft und dem Handwerk – außer für den Eigenbedarf – ausgeschlossen. Zu den „unanständigen“ Berufen, die Jüdinnen und Juden ausüben durften, zählte das Vergeben von Krediten, also der Beginn der Bankwirtschaft. Diese antisemitische Verknüpfung von Jüdinnen und Juden mit Geld, Zinsen und Banken hält sich bis heute.
Insbesondere im Nationalsozialismus wurde hetzerisch das Wirtschaftssystem in eine vermeintlich „gute“, „reine“, „schaffende“ Arbeit und eine „böse“, „raffende“ Banken- und Finanzwelt aufgespalten. Trotz der Widersinnigkeit dieser Zuschreibungen oder einer solchen Aufspaltung wurde unter anderem damit das antisemitische Bild vom „parasitären“, aber „mächtigen Juden“ als Finanzelite gezeichnet. Negativ besetzte Worte wie „raffen“ oder „gierig“ können so auch heute noch unterschwellig Antisemitismus transportieren.
Und auch immer noch wird von der angeblichen „jüdischen Finanzelite“ oder der „Hochfinanz“ gesprochen, die angeblich das weltweite Finanzwesen und alle wirtschaftlichen wie politischen Geschicke der Welt lenken soll und dem „ehrlichen kleinen Arbeiter“ nur Böses will. Im Zusammenhang damit stehen auch die Begriffe „Ostküste“ und „Wall Street“, die den Antisemitismus mit Antiamerikanismus vereinen. Damit soll suggeriert werden, dass Jüdinnen und Juden die US-amerikanische Börse beherrschten und somit der Nabel des Kapitalismus seien. Antisemitische Bilder von Jüdinnen und Juden, die im Zusammenhang mit Finanzwesen und Wirtschaftsgeschäften gesetzt werden, gehen also auf Jahrhunderte alte Ressentiments zurück.
Eine der ältesten antisemitischen Verschwörungserzählungen stammt aus dem Mittelalter. Im damaligen Christentum wurde ein religiöser Antijudaismus praktiziert, um das Judentum als „schlechte Religion“ darzustellen. Durch Feste, Wallfahrten und Predigten entwickelten sich dämonisierende Erzählungen über Jüdinnen und Juden zu einer langwährenden Tradition im Christentum und zum ausgedachten Grund für brutale Pogrome. Eine aus dieser Zeit stammende Erzählung ist die Ritualmordlegende. In dieser wird behauptet, dass Jüdinnen und Juden christliche Kinder töteten, um mit ihrem Blut religiöse Rituale zu vollziehen. Was natürlich komplett ausgedacht ist. Mit derartigen Erzählungen sollte der jüdische Glauben als abgrundtief böse gekennzeichnet werden, um die Propaganda gegen Jüdinnen und Juden voranzutreiben und zu legitimieren.
Leider halten sich Abwandlungen dieser Erzählung bis heute, beispielsweise in Form der antisemitischen Adrenochrom-Erzählungen rund um QAnon, in welchem satanische („jüdische”) Eliten eine zentrale Rolle spielen. So sollen diese Kinder entführt, gefangen gehalten und gefoltert werden, um ihr Blut als Elixier der ewigen Jugend zu verwenden. Auch in der Parole „Kindermörder Israel!“, die derzeit nicht selten auf Demo-Plakaten verwendet wird, steckt die mittelalterliche Dämonisierung von Jüdinnen und Juden. So wird Israel als repräsentativem jüdischen Staat unterstellt, es vergieße mit Absicht und aus purer Bosheit das Blut palästinensischer und anderer Kinder. Die Parallelen sind eindeutig: Wie auch damals geht mit der Erzählung der Vernichtungswunsch gegenüber jüdischen Menschen einher.
Im Zuge des christlichen Antijudaismus im Mittelalter wurde die Erzählung laut, Jüdinnen und Juden wären einen Pakt mit dem Teufel eingegangen, um Kriege, Hungersnöte, Plagen und Seuchen anzuzetteln. Hier wird wieder der Versuch offensichtlich, das Judentum zum absolut Bösen zu erklären. Nochmal zur Erinnerung: auch damals schon, um die Ächtung und Verfolgung von Jüdinnen und Juden zu rechtfertigen. Damals wie heute ist es ein beliebtes antisemitisches Mittel, „Die Juden“ als Satan oder Teufel darzustellen. Diese alte „Tradition“ wird auch heute noch in Darstellungen fortgeführt. Zum Beispiel wenn, angelehnt an stereotype Darstellungen von jüdischen Menschen, der Teufel mit einer „Krummnase“ (siehe „Jüdisches Aussehen“) ausgestattet wird.
Die entmenschlichende Darstellung von Jüdinnen und Juden durch Tiermetaphern hat eine lange Tradition und pflanzt oft unbemerkt antisemitische Stereotype in die Köpfe der breiten Gesellschaft. Deshalb ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, woher die Darstellungen kommen. Es gibt kaum ein Tier, als das Jüdinnen und Juden noch nicht verunglimpft wurden. Die bekanntesten Darstellungen sind jedoch die als Schwein/Sau, Krake oder Schlange.
Schon im Mittelalter wurde das Bild der „Judensau“ etabliert, die Jüdinnen und Juden verspotten und antijudaistische Vorurteile und Bilder verfestigen sollte. Symbolik von Schweinen deuten auf „Unreinheit“ und auf die christlichen Todsünden Völlerei und Wollust hin. Durch die Darstellungen sollte also das Judentum herabgesetzt und entmenschlicht werden.
Der Krake schließt an das Narrativ der angeblichen jüdischen Weltverschwörung (siehe oben) an. Häufig umfasst der Krake in den Darstellungen mit seinen Tentakeln die Erde und stellt damit ein riesiges globales Netz mit vielen Armen dar, dem nichts entgegengesetzt werden kann. Ein Bild, das schon in der Zeit des Nationalismus für antisemitische Propaganda verwendet wurde.
Die Darstellung von Jüdinnen und Juden als Schlange wahlweise als christliches Symbol für die Sünde oder Metapher für den Würgegriff oder Gift (als Waffe gegen die Völker) vereint ebenfalls die negativen Zuschreibungen von mittelalterlichem Antijudaismus und nationalsozialistischem Rassismus bzw. Antisemitismus. All diese Darstellungen halten sich traurigerweise bis heute, beispielsweise in Memes in den sozialen Netzwerken oder auf Schildern bei Demonstrationen.
Der Zionismus ist eine politisch-religiöse Bewegung, die sich im 19. Jahrhundert als Antwort auf den damals herrschenden Antisemitismus in Russland und Osteuropa gründete. Der Zionismus setzte sich für die Schaffung eines jüdischen Staates ein und ist damit der Name für die jüdische Nationalbewegung oder das Bestreben nach Selbstverwaltung und Selbstbestimmung in Form eines Staates. Im Jahr 1948 wurde der Staat Israel auf dem damaligen britischen Mandatsgebiets Palästina gegründet.
Der Antizionismus ist eine politische Ideologie, die sich gegen den Zionismus bzw. gegen das Existenzrecht des Staates Israel richtet. Antizionismus gab es bereits vor der Gründung Israels und geht häufig mit Antisemitismus einher bzw. dient zur Ergänzung oder Verschleierung von Antisemitismus. So stecken oft hinter einer vermeintlichen Kritik an Israel antisemitische Denkmuster. Wird der Staat dämonisiert, delegitimiert oder doppelte Standards bei der „Kritik“ angelegt, so kann man von einer antisemitischen Absicht ausgehen (3-D-Test). Häufig werden Begriffe wie Zionisten oder ZOG als gleichbedeutend mit einer „jüdische Elite“ oder dem „Weltjudentum“ (siehe oben) gebraucht. ZOG steht in diesem Fall für „Zionist Occupied Government“, also „zionistisch besetzte Regierung“. Das soll auf eine angebliche jüdische Unterwanderung von (globalen) Regierungen anspielen (siehe „Geheime Macht“ oder „Bezug zu USA“).
Jewnited States, JewSA oder USrael? Na, wer kommt darauf, welche Wortspiele hier als Codes genutzt werden? „Jew” ist das englische Wort für „Jude”. Aus den Vereinigten Staaten wird so JEW-SA oder JEW-nited States und Israel wird zu US-rael. Was die Wortschöpfungen aus „Juden” und „USA” uns vermitteln wollen? Dass die als Weltmacht geltenden USA von Jüdinnen und Juden kontrolliert werden. Wir haben es hier also wieder mit den großen antisemitischen Narrativ-Gruppen der Finanzeliten und Geheimen Mächten zu tun (siehe oben).
Apartheidstaat / Unrechtsstaat
Mit Apartheid wurde die staatlich festgelegte und organisierte Rassentrennung, wie sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Republik Südafrika herrschte, bezeichnet. So galten für die Schwarze Bevölkerung von Südafrika andere Gesetze als für weiße Menschen. Der öffentliche Raum war durch Verbote für People of Color getrennt. Seit einigen Jahren wird Israel „Apartheid” in Bezug auf Palästinenserinnen und Palästinensern aus den besetzten Gebieten im Westjordanland und dem Gazastreifen vorgeworfen. In Israel gelten Bewegungseinschränkungen für Personen, die nicht die israelische Staatsbürgerschaft besitzen. Alle israelischen Staatsbürger haben jedoch die gleichen Rechte, können die gleichen Orte besuchen und die gleichen Berufe ausüben, sowohl die jüdischen Israelis als auch die etwa 20 Prozent arabischen Israelis. Apartheid ist in Israel also nicht gegeben.
Mit der Bezeichnung als Apartheidstaat wird Israel dämonisiert, indem behautet wird, es handele sich dabei um einen Unrechtsstaat wie das frühere Südafrika. Die Verwendung des Begriffs missachtet die Komplexität der religiösen Konflikte in den Gebieten Israels und Palästina, dämonisiert Israel als alleinigen Kriegstreiber und Unrechtsstaat und wird dafür verwendet, Israel als Staat selbst zu delegitimieren.
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